Kunst Druck Graphik Digital
Im Atelierhaus der Universität der bildenden Künste war vom 24. bis 26. Mai die Ausstellung und Messe "art-bits" zu sehen. Ein Anlass, die digitale Druckgraphik genauer zu betrachten.
Von Michael Schneider
Die Geschichte der digitalen Kunst bzw. Graphik ist, aus dem Blickwinkel des Künstlers, eine der technischen Frustrationen und des Wartens. Jahrzehntelang gab es Ausblicke auf die phantastischen Möglichkeiten der neuesten bzw. nächsten Geräte und Programme, große Agenturen, Fernsehstudios oder auch Kinoproduktionen führten das technisch Machbare vor und die Phantasie der Kunstschaffenden entzündete sich daran. Allerdings waren die tatsächlichen Möglichkeiten mit den am "consumer market" angebotenen Geräten bescheiden, sogar enttäuschend. Befriedigende Ergebnisse boten nur Geräte der absoluten Profiklasse, die für KünstlerInnen zumeist unerschwinglich waren. Hier hat sich die Situation gebessert, aber nicht wesentlich.
Bei der Computer Generierten (CG) und Computer Unterstützten Graphik (Computer aided, CA) war das Ziel, das gedruckte Bild, schwer zu erreichen: hohe Kosten, unbefriedigende Qualität und nicht zuletzt mangelnde Lichtechtheit und ungeeignete Trägermaterialien frustrierten auch bei Verwendung von High End-Geräten. (Im Gegensatz dazu wurde die Technik im Bereich Video- und Computer-Kunst, die den Bildschirm als Ausgabegerät verwenden, bald erschwinglich, sodass hier einem Einsatz in der künstlerischen Praxis nichts entgegenstand.)
Die Veranstaltung "art-bits" hat in einer exemplarischen Auswahl digital gedruckter Blätter, durch Vorträge ausgewiesener Experten (etwa: Henry Wilhelm, David Adamson, Dr Naren Barfield) und die Demonstration der neuesten Drucker und Software bewiesen, dass diese Zeit endgültig vorbei ist. Qualität und Effizienz im High End-Bereich der IRIS und EPSON Drucker erlauben, zu moderaten Preisen Drucke von CG & CA Graphiken anzufertigen, die auch höchsten Ansprüchen genügen. Auch das Manko an zur Verwendung geeigneten Papiersorten ist geringer geworden. Obwohl die technische Entwicklung im Bereich des Tintenstrahldruckes noch nicht abgeschlossen ist, braucht man auf eine erschwingliche, zufriedenstellende Einrichtung, um all die möglichen digitalen Bilder zu drucken, nicht länger zu warten. Der Interessenlage der Veranstalter (EPSON, Salon Iris, Hahnemühle) entsprechend sollte "art-bits" deren Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Ein Vorhaben, das sicherlich geglückt ist.
Der Untertitel der Veranstaltung "art-bits" - "digital fine art printmaking" - weist jedoch schon auf eines der mit der neuen Technik verbundenen Probleme hin. Computergraphik ist nicht gleich Digitaldruck und Digitaldruck nicht gleich Druckgraphik, digital printing, digital printmaking und digital fine art printmaking sind ebenfalls Begriffe, die sich für weitreichende Verwirrung und Verwechslung eignen, und die Mittel des digitalen Kunstdruckes sind die gleichen wie die der digitalen Druckkunst.
Die neuen technischen Entwicklungen bringen - in den USA schon seit Jahren diskutierte - neue Fragestellungen. Daher ist zuerst eine Betrachtung der technischen Grundlagen nötig. Unter Digitaldruck lassen sich verschiedenste Verfahren subsumieren: Laserdrucker, Nadeldrucker, Plotter, Tintenstrahldrucker, auch die Direktbelichtung im Offset-Verfahren oder das Tiefdruckverfahren mit Imagon oder anderen Polymeren (Wiener Kunsthefte, Nr. 4/2001, S. 18ff.) können Digitaldrucke liefern. Die hier besprochenen Tintenstrahldrucker sind den bekannten Home- und Office-Produkten nicht unähnlich, entstammen sie doch entwicklungstechnisch diesem Bereich. Durch feine Düsen werden farbige Tinten in Form kleiner Tropfen auf das Papier geschossen oder geblasen. Diese Verfahren kommen ohne herkömmlichen Raster aus, eine errechnete Zufallsverteilung der Punkte wird an dessen Stelle verwendet. Die Reduktion der Größe der Bildpunkte unter die Wahrnehmungsgrenze und eine immer dichtere Anordnung führt zu optisch überzeugenden Drucken. Die Drucker erhalten die Druckanweisungen direkt von Druckertreibern, gesteuert von geeigneten Programmen. Das Ergebnis wird also sehr stark von der verwendeten Software beeinflusst, vom Druckertyp, dem Papier und nicht zuletzt den Tinten.
Wichtig bei der Betrachtung des Digitaldrucks ist die Art der Bilderzeugung. War der Beginn der Computergraphik gekennzeichnet vom starken Einfluss technischer Strukturen und mathematischer Modelle, so hat sie sich heute zum Darstellungsmittel aller denkbaren und undenkbaren Bilder entwickelt: Das Bild kann geschaffen werden, indem die bilderzeugende Software zu diesem Zweck programmiert wird, entweder vom Kunstschaffenden selbst oder in Kollaboration mit SpezialistInnen. Bildinformationen können mit einem geeigneten Eingabegerät (Zeichenstift, Maus etc.) direkt von Hand eingegeben und mit Zeichen- oder Retuschierprogrammen (das wichtigste wohl Photoshop) bearbeitet werden. Digitalphotos, Photos und gescannte Vorlagen bilden eine weitere Möglichkeit zur Bilderstellung. Alle diese Bilderstellungs- und Bearbeitungsverfahren können kombiniert werden. Videostills kann man mit 3D-Graphiken mischen, mit originären (selbstprogrammierten Bildinformationen) überlagern, händisch korrigieren oder erweitern. So ist es beispielsweise möglich, eine Zeichnung oder ein Gemälde hochauflösend zu scannen, mit verschiedenen Programmen weiter-, um- oder zu bearbeiten, eventuell mit anderen Werken zu mischen und später als "digital fine art print" zu realisieren. Internet und TV können als Bildarchiv genutzt werden. Begriffe wie Sampling, Morphing und Remix, bislang in der Musik beheimatet, bezeichnen Methoden und Modelle der Gestaltung, Umgestaltung, Neugestaltung. Alle denkbaren Varianten aufzuzählen würde zu lange dauern und eventuell Entwicklungen vorgreifen.
Die Ausstellung "art-bits" hat einen sehr guten Einblick in das weite Betätigungsfeld geboten. Der Bogen spannte sich von Photographie über am Computer erstellte Zeichnungen, mit CAD Programmen erstellte Blätter bis hin zu 3D-Modellen. Eines ließ sich bei Ansicht der Ausstellung jedoch klar erkennen - bedingt durch die von vielen KünstlerInnen verwendeten Programme, die für Gebrauchsgraphik und -Design entwickelt wurden, wird eine aus Werbung und Design bekannte Ästhetik und Formensprache präsent. Leider hat man nicht immer das Gefühl, dass dies gewollt ist - eine Bestätigung dafür, dass die KünstlerInnen bei Verwendung von Software und durch diese zur Verfügung gestellten Werkzeuge der Bildbearbeitung die Autorenschaft mit deren ProgrammierInnen teilen. Die optische Erscheinung wird von der Software so stark beeinflusst, dass das einfache Inanspruchnehmen der gebotenen Routinen zu jeweils ähnlichen Ergebnissen führt. Die richtige Einschätzung der Werke ist dadurch um einiges erschwert. Zum einen ist es nötig, die eingesetzten Programme und deren "vorprogrammierte" Ergebnisse zu kennen, zum anderen muss man die technische Voraussetzungen für Druck und Präsentation in Betracht ziehen. Speziell für BetrachterInnen, deren Auge auf traditionelle Druckgraphik geschult ist, stellen sich hier Probleme, aber auch für ExpertInnen ist eine ausgewogene Beurteilung nicht immer leicht, weil die Entwicklungsgeschwindigkeit sowohl im Bereich Hardware als auch Software erstaunlich ist.
In jedem Fall stellt die digitale Druckgraphik ein unglaubliches neues Experimentierfeld und eine noch nicht absehbare Erweiterung der Druckgraphik dar, sodass in Zukunft KünstlerInnen wohl vermehrt diese Möglichkeiten nutzen werden (Voraussetzung: geeignete Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten). Die "Medienkunst" wird so sicherlich mit ihrem kunstgeschichtlichen Traditionsvorgänger, der Druckgraphik, zusammenwachsen. Ich scheue mich, einen Boom zu prophezeien, möglich wäre es allerdings.
Eine bislang unerwähnte Gefahr lauert dennoch in der Technik. Scanner der neuesten Generation und hochentwickelte Software im Verein mit den verfügbaren Tintenstrahldruckern sind imstande, Kopien von Aquarellen, Zeichnungen, Lithographien oder Photographien herzustellen, die auch für ExpertInnen schwer als solche zu erkennen sind. Druck und Nachdruck sind nicht voneinander zu unterscheiden, Auflagen zu kontrollieren nicht einfach.
Beispiele von KünstlerInnen sind bekannt, die ein eingescanntes Aquarell nummeriert und signiert als Druckgraphik verkaufen, von VerlegerInnen, die eine Auflage von Photos in leicht veränderter Größe später als Druckgraphik herausgeben, um zuletzt in gleicher Technik davon gedruckte Poster zu verkaufen und Ähnliches. Erst seit kurzem sind Vorbehalte und Skepsis von Sammlungen und Museen überwunden, sollten aber Machenschaften wie diese überhand nehmen, könnte eine Diskreditierung am Markt die Technik als künstlerisches Medium bald uninteressant machen und dadurch eine Weiterentwicklung empfindlich behindern.
Glossar