Mit Michael Schneider kommunizieren
Von Georg Kremnitz
Kommunikation ist immer fragmentarisch, gelingt nur zu Teilen. Das gilt für (weitgehend) konventionelle Zeichensysteme wie Sprachen - wir kennen ihr kommunikatives Ungenügen nur zu genau -, wie viel mehr also für offene wie die künstlerische Darstellung. Aber liegt nicht gerade in dieser Fragmentarik die Chance für eine Begegnung mit dem anderen? Michael Schneider erzählt uns in seinen Arbeiten und durch sie seine Geschichten oder seine Sicht der Dinge und wir sehen und verstehen sie als die unseren. Wir machen damit, was wir aufgrund unserer Erfahrung machen können. Und stellen fest, dass sie sich vor unseren Augen verändern, erst recht, wenn wir sie nach einer Pause wieder betrachten.
Aber auch Schneider ist nicht „frei“ in seiner Kommunikation: sie schreibt sich ein in zwei Traditionen von Kunst, gerät daher in die Gefahr der Überdetermination, zwingt ihn aber auch in die Rolle des Fährmannes. Vielleicht kann gerade in unserer durch Überdetermination geprägten Welt diese wieder (einen Hauch von) Freiheit vermitteln. Der Betrachter, der die beiden Traditionen nur in Bruchstücken kennt, kann sich Schneiders Arbeiten (wieder) unmittelbarer annähern. Er sieht vielleicht nicht alles, was der Künstler ihm mitteilen wollte. Aber möglicherweise anderes. Vielleicht Dinge, die der Künstler selbst (bewusst) nicht gesehen hat? Geht dem Betrachter dadurch wirklich etwas verloren? Oder erobert er sich das Bild nicht auf seine Weise? Doch wo bleibt die Kommunikationsabsicht des Künstlers? Kann sie mehr sein als Aufforderung zur Auseinandersetzung?
Ein Spiel mit Spiegeln, voller Verzerrungen. Kommunikation gelingt immer nur zu Teilen. Auch der Betrachter muss zur Teilnahme an ihr bereit sein, wenn sich zwischen beiden eine Brücke - oder auch nur ein Steg - eröffnen soll. Die Fragmentarik der Kommunikation ist nicht nur Verlust, sondern auch Möglichkeit und Chance. Und ein Stück Freiheit.
Wir sollten uns die Freiheit wieder nehmen. Dazu laden die Arbeiten von Michael Schneider ein.
Aus: Schneider, Michael: unentschlüsselte tafel . rekonstruktionen. Wien: edition ps 1998, S. 57
Dr. Georg Kremnitz ist Sprachwissenschafter und seit 1986 o. Univ.-Prof. an der Universität Wien, Institut für Romanistik.