Hochdruck in Leipzig – ein besonderes Jahr
Leipzig hat einen Ruf zu verteidigen, wenn es um die Welt des Drucks geht. In einer Zeit, in der nach den Druckereien auch die Druckmaschinenhersteller ums Überleben kämpfen, ist es der Stadt Leipzig bislang gelungen, ihre Reputation als Zentrum der schwarzen Kunst zu behaupten. Die Initiative „Hochdruck in Leipzig“ hat diese Reputation nicht nur bestätigt, sondern eindrucksvoll verstärkt. Ein höchst unvollständiger Bericht über ein Event von der Dauer eines Jahres oder über ein Jahr voller Events von Michael Schneider.
In Leipzig ist etwas Besonderes gelungen: Eine erstaunlich diverse Gruppe aus Personen und Institutionen hat gemeinsam ein höchst ambitioniertes Projekt realisiert. Im Zentrum des Hochdrucks in Leipzig stand die Galerie Hoch+Partner (Susann Hoch, Gabriele Sperlich, Harald Alff und Stephanie Marx, drei davon bereits im Um:Druck erwähnt), die nicht nur viele der Veranstaltungen selbst organisierte, sondern auch in etlichen Fällen als Mittler fungierte. Ihnen und dem guten Willen von vielen weiteren im Bereich der Druckgrafik Engagierten ist es zu verdanken, dass es trotz chronischer Unterfinanzierung möglich war, ein so anspruchsvolles Programm an Ausstellungen, Symposien, Wettbewerben und Diskussionen anzubieten. Das Museum der Druckkunst, die Hochschule für Grafik und Buchkunst, das Museum der bildenden Künste, das Stadtgeschichtliche Museum, alle in Leipzig, der Leipziger Bund bildender Künstler, der Bleilaus Verlag (siehe Um:Druck 8/2008) und „carpe plumbum“ waren durch „Hochdruck in Leipzig“ partnerschaftlich verbunden.
Inzwischen ist eine Dokumentation erschienen, die es ermöglicht, nachträglich noch von den Veranstaltungen von „Hochdruck in Leipzig“ zu profitieren, nicht nur weil darin eine Zusammenfassung der wichtigsten Themen und Ausstellungen enthalten ist, auch finden sich darin Originaldrucke einiger teilnehmender KünstlerInnen. Im Rückblick zeigt sich die Vielfalt der Veranstaltungen. Die Dokumentation zeugt nicht nur davon, sie zeigt auch, wie engagiert der Gedankenaustausch aller Beteiligten und der BesucherInnen war.
Für jemanden, der nicht in Leipzig oder Umgebung wohnhaft ist, war es wohl kaum möglich, alle Ausstellungen zu sehen und an allen Veranstaltungen teilzunehmen. Ebenso unmöglich ist es, in diesem Artikel auf alles Geschehene einzugehen. Die Auswahl der Berichterstattung hier ist eine persönliche. Auf Einladung von Hoch+Partner und dem Museum für Druckkunst hatte ich die Ehre, an zwei Veranstaltungen im Verlauf des Jahresprogrammes teilzunehmen und nach Leipzig zu reisen. Ich hatte dadurch Gelegenheit, nicht nur großartige Ausstellungen zu sehen, sondern auch mehr über die Motive zu diesem außerordentlichen Event zu erfahren.
Hoch+Partner ist eine Produzentengalerie mit dem Schwerpunkt Hochdruck. Durch konsequente Arbeit haben ihre Ausstellungen, aber auch ihre Druckwerke Anerkennung gefunden (der Um:Druck berichtete mehrmals). Teile des Erfolgsrezeptes sind Offenheit und Kooperationsbereitschaft als Grundlage für eine Atmosphäre, die geeignet ist, die Begeisterung für die gedruckte Kunst zu teilen und zu vermitteln. Dies gelingt nicht nur in der Galerie, es ist auch mit „Hochdruck in Leipzig“ in viel höherem Maße gelungen.
Mein erster Besuch brachte mich zu einer Diskussion über die aktuellen Themen der Druckgrafik in das Museum der Druckkunst. Das Museum selbst erlaubt eine Zeitreise in die Techniken der schwarzen Kunst und ermöglicht so Verständnis für die Entwicklung des Drucks und der damit verbundenen Verbreitung von Informationen, Ideen und Bildern. Knapp verpasst hatte ich die Eröffnung eines neuen Museumsbereiches, der den Wechsel von analoger zu digitaler Technologie nachvollzieht und die engagierte Arbeit von Museumsleiterin Susanne Richter zeigt, das Museum nicht nur über die Sammlung alter Maschinen zu definieren, sondern es zu einem Ort zu machen, an dem Verständnis für unsere mediale Realität und ihre Grundbedingungen möglich wird. Das Museum hatte als Veranstaltungsbeitrag eine Ausstellung unter dem Titel „Künstlerische Positionen im Hochdruck“ gezeigt, in dem auf exemplarische Weise die gegenwärtige Beschäftigung mit dem Medium Hochdruck durch KünstlerInnen vornehmlich aus Deutschland zu sehen war. Der Versuch, unterschiedliche Positionen zu sammeln und zu präsentieren, erzeugte eine enorme Bandbreite von
Arbeiten zwischen klassischem Schwarzweiß und experimentellem Mehrfarbendruck, zwischen traditionellem Handwerk und digitalen Erweiterungen. Die Suche nach den diesen Positionen eventuell gemeinsam zugrundeliegenden Themen war daher eine logische Fragestellung für die Diskussionsrunde.
Leider war eines der Herzstücke des Jahresprogramms zu diesem Zeitpunkt schon vorbei, das Hochdruck-Arbeitstreffen „Versus“, ein Versuch, den direkten Kontakt der KünstlerInnen miteinander zu ermöglichen und durch gemeinsames Arbeiten Fortschritte in der individuellen Arbeit und der generellen Position des Hochdruckes zu erreichen. Zu diesem Arbeitstreffen waren Brian Curling, Christine Ebersbach, Johannes Eckardt, Frank Wahle, Georges Wenger und Robert Würth eingeladen. Ergänzt wurde die Gruppe durch Sylvie Ringer und Patrick Fauck, Preisträger eines Studentenwettbewerbs, der aus Anlass des Hochdruckschwerpunktes für Studierende an deutschen Kunsthochschulen ausgelobt worden war. Je eine Arbeit jedes Teilnehmers / jeder Teilnehmerin ist der Dokumentation „Hochdruck in Leipzig 2011“ beigelegt.
Mir blieb bei meinem Besuch aber die Möglichkeit, die Ergebnisse der intensiven Arbeit in der Ausstellung „Versus“ im Tapetenwerk zu sehen, in der sich eine besondere Auseinandersetzung mit dem Medium Druckgrafik, der Funktion der Publikation von Bildideen fand. Johannes Eckhart schuf eine Mappe mit dem Titel „Parzivals Bilderschau“, in der die Text-Bildkombination der Titelseiten der Bild-Zeitung und der Leipziger Volkszeitung ihre Transformation in Schwarz-Weiß-Holzschnitte fanden.
Mein zweiter Besuch in Leipzig galt der Veranstaltung „Hochdruck heute – vom Druckstock zur Pixelmatrix?“. Auf Einladung von Hoch+Partner traf ich die KünstlerInnen Franca Bartholomäi (Halle a.d.Saale), Frank Lippold (Dresden), Matthias Mansen (Berlin, s. S. 4 dieses Um:Druck) und Uta Zaumseil (Mehla, Thüringen), wir brachten Beispiele unserer Arbeiten und besprachen gemeinsam gegenwärtige und mögliche zukünftige Entwicklungen, die Kunst mit Hochdruck nehmen kann.
Obwohl mir also nur ein kleiner Einblick in die Geschehnisse während des gesamten Jahres möglich war, erlaube ich mir dennoch, ein höchst positives Fazit zu ziehen. Selten war der Zugang zu einer Fülle an profilierten künstlerischen Positionen, die sich intensiv mit dem Hochdruck als Mittel beschäftigen, so erleichtert wie durch die Angebote in Leipzig. Die Ausstellungen, Symposien und Diskussionen haben nicht nur demonstriert, dass der Hochdruck ein ausgesprochen aktuelles Medium ist, sie haben es auch ermöglicht, dass der Fluss an Information zwischen interessiertem Publikum und KünstlerInnen ebenso wie zwischen den KünstlerInnen untereinander eine neue Qualität erreicht hat.
Nicht unerwähnt möchte ich auch die Tatsache lassen, dass die Finanzierung eines Teils des Programmes durch KünstlerInnen möglich gemacht wurde, die Hochdrucke für eine Auktion im Museum für Druckkunst gespendet hatten. Dieser solidarische Akt hat mehr als Symbolcharakter, wird doch die Finanzierung unabhängiger Initiativen immer schwerer.
Es bleibt zu hoffen, dass es möglich sein wird, auf den Erfolg von „Hochdruck in Leipzig“ aufzubauen und in diesem Sinne weiterzuarbeiten. Veranstaltungen von vergleichbarer Dichte und Intensität sind mir nur in Form der Philagraphica in Philadelphia, der Impact (an verschiedensten Orten) oder SGCI Conference (USA) bekannt. Sollte es gelingen, „Hochdruck in Leipzig“ zu einer Einrichtung wie die Philagraphica zu entwickeln, wäre uns allen ein wiederkehrendes Highlight geschenkt.
Die Dokumentation: Hochdruck in Leipzig 2011, 53 Seiten mit zahlreichen Farbabbildungen, 29,9 x 30 cm, broschiert, Titelblatt: Original-Farbholzschnitt, beigelegt: 8 Schwarz-Weiß-Linolschnitte; © Hoch+Partner, Leipzig 2012
Weitere Informationen sowie Bezug der Dokumentation bei: Hoch+Partner, Galerie und Werkstatt für Holzschnitt und Hochdruck im Tapetenwerk, Halle C, Lützner Straße 91, 04177 Leipzig, Tel.: +49-(0)16334-10661, e-Mail: info@hoch-und-partner.com, www.hochund-partner.com, www.hochdruck-leipzig.de